Diese Kunst zielt ins Innerste

Die Kunstwerke des Mittelalters, besonders der Gotik, sind gar nicht dunkel und rätselhaft, sondern das meiste war und ist sehr schön und sehr gut verständlich, noch heute nach 700 Jahren.

Sogar die etwas „schwierigen“ Kunstwerke wie Vesperbilder, die Maria und ihren toten Sohn Jesus zeigen, sind so schön wie möglich geschaffen. Das Thema wurde so echt wie möglich dargestellt und darüber hinaus.

1.        Die Künstler arbeiteten zur Ehre Gottes und gestalteten alles so schön sie nur konnten.

2.        Die Kunstwerke dieser Zeit – von der Kathedrale bis zur Buchseite – waren dazu da, die Geschichten der Bibel zu erzählen, verständlich zu machen für Menschen, die nicht lesen können und damit den Glauben zu vertiefen. Kryptische Darstellungen wären da fehl am Platz gewesen.

Drei Beispiele:

Kathedralen: Diese gewaltigen, filigranen Gebäude sollten nichts weniger als ein Gefühl des Himmels hervorrufen.

Malerei: Statt Wandflächen wurden die riesigen Glasfenster der Kirchen mit biblischen Szenen bemalt und erzählten in leuchtenden Farben Geschichten.

Skulpturen: Sie konnten durch ihre Rundum-Ansicht und dreidimensionaler Darstellung die Gläubigen von der Echtheit einer Szene überzeugen und sehr leicht Mit-Gefühl und Mit-Leiden wecken.

Die Kunst der Gotik ist schön, feierlich, kostbar und sogar das Grässliche ist nach diesen Prinzipen gestaltet. Schliesslich war die Aufgabe von Höllendarstellungen gleichwertig, sie sollten möglichst einen Kontrast zum Guten darstellen, um dessen Überlegenheit zu zeigen.

Diese Anhaltspunkte für die Kunstbetrachtung kannst du dir eigentlich hinter die Ohren schreiben und beim nächsten Besuch einer Kathedrale oder eines Mittelaltermuseums wieder hervorholen. Sollte dir das aber nicht gelingen, ist es auch kein Problem, denn es geht hier darum zu fühlen. Die Kunst der Gotik zielt direkt in unser Inneres, um mit bekannten Darstellungen eine Beziehung zum Unvorstellbaren herzustellen.

(Bild: Vesperbild aus Boppard(?), Mittelrhein (Mainz?), um 1390; Liebieghaus, Frankfurt am Main)

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Kunstgeschichte ist kein Orchideenfach

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Was nützt so ein Bild?